IronButt SaddleSore 2008 - 1.722 Kilometer quer durch Deutschland in weniger als 24 Stunden

Iron Butt Association - The World's Toughest Motorcycle Riders    

Mitglied Nr. 33786    
EisenArsch nach 1722 Kilometer

    SaddleSore 1600k - 1,610 kilometers (1,000 miles) in 24 hours

    Titel



English version here

Fahren bis der Hintern brennt ...
1.722 Kilometer in weniger als 24 Stunden für den ehrenwerten Titel: Eisen-Arsch


Der Wecker klingelt
Es ist Samstag morgen. 4 Uhr. Normalerweise schlafe ich Samstags lange - sehr lange, auf jeden Fall erheblich länger als bis 4 Uhr. Heute nicht. Heute will ich das schaffen, was ich mir schon seit Jahren vorgenommen habe: innerhalb von 24 Stunden 1.000 Meilen mit dem Motorrad zu fahren. Das sind 1.610 Kilometer. Ich fand vor Jahren in einer bekannten Motorrad-Fachzeitschrift eine kurze Notiz über diesen verrückten amerikanischen "Verein der Eisen-Ärsche" -
Iron Butt Association, dessen einziges Ziel das Fördern von sicheren Langstreckenfahrten ist - keine Rennen oder andere Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten. Innerhalb vorgegebener Zeiten sind bestimmte Distanzen abzufahren. Das, dachte ich mir damals schon, das musst und kannst auch du irgendwann schaffen... Es fängt mit 1.000 Meilen an, das ist die erste Stufe des Eisen-Arsches, der sogenannte SaddleSore: Wund im Sattel. Ist man verrückt, wenn man so etwas nicht nur denkt sondern auch noch macht ?

Planung und Vorbereitung
Einige Wochen zuvor, irgendwann Ende April, habe ich einen Kollegen angespitzt ob er nicht mitfahren wolle, so um die Zeit der Sonnenwende, damit wir einen möglichst langen, hellen Tag haben. Er sei doch auch so verrückt wie ich und zu zweit könnte es mehr Spaß machen als alleine. Wir hatten schon mal darüber gesprochen gemeinsam zu fahren. Ja, nein, eigentlich schon ja, aber die Maschine sei ja wohl doch mit ihren 2 Zylindern etwas zu klein - und ohne den geeigneten Wind- und Wetterschutz für eine so lange Dauerstrecke, alleine der dauerhafte Winddruck bei anhaltend hohem Tempo - nee, lieber ein anderes Mal mit einer dann hoffentlich anderen Maschine. Ich will ja jetzt nicht lästern und verraten, welche Maschine der Kollege fährt, aber es ist eines von diesen altmodischen deutschen Dingern, wo die Zylinder immer noch so völlig unmotiviert und irgendwie deplaziert links und rechts seitlich aus dem Fahrwerk ragen - das tun sie ja nun schon fast unverändert seit den zwanzigern - 1920zigern. Vielleicht hat er doch irgendwie recht....
(Zusatz 2013: Heute fährt der Kollege eine K 1300 - und hat jetzt mit der Maschine und mit mir zusammen den Titel geschaft - siehe unten, Nachtrag 2...)

Henning mit ST 1300 Da habe ich mit meiner Dicken, einer Honda PanEuropean STX 1300, keine Probleme: die ist mit ihrer Vollverkleidung, mit dem formidablen Windschutz und der couchähnlichen Sitzgelegenheit - und mit einem geschmeidigen 1300-Kubik, 4-Zylinder längsliegenden wassergekühlten, zähen, leistungsfähigen und ausdauernden V-Motor mit Kardan und 135 PS - gewissermaßen von Geburt an für solche langen Strecken wie geschaffen - dieses Modell und ihre Vorgängerin, die ST 1100, die ich auch einige Jahre über 60.000 Kilometer gefahren bin, sind seit nunmehr fast 20 Jahren durchgehend in der Motorradszene oft genug als das non-plus-ultra für Langstreckenfahrten jedweder Art gepriesen worden und setzt - und setzte - in dieser Kategorie Maßstäbe... Nomen est Omen: PanEuropean ! Das musste an dieser Stelle einfach mal gesagt werden....

Meine Kalkulation ausgerechnet diesen Pfingstsamstag, den 10. Mai 2008 zu fahren ist, dass alle die, die in ein verlängertes Pfingstwochenende wollen, voraussichtlich am Freitag fahren. Außerdem sind Samstags keine Unmengen von LKW auf der Straße. Ich sehe mich an diesem Samstag auf dem bundesdeutschen Autobahnnetz fast alleine..... Meine Kalkulation geht weitestgehend auf....

Das Reglement sieht vor, dass die Fahrt im Wesentlichen über Tankquittungen dokumentiert wird. Außerdem sind Karten mit einer deutlich erkennbaren Routenführung erforderlich, die die gefahrene Strecke plausibel belegen und man kann auch sonst mit anderen nicht-amtlichen Hinweisen zur Dokumentation beitragen. Sicherlich kann man hier - wie sonst auch im Leben - problemlos betrügen, um den Titel zu erringen. Aber es ist auch eine Frage der Ehre! Ich will mir beweisen, dass ich einen Eisen-Arsch habe - nicht der Wertungskommission.
Durch die Anregung eines Kollegen besorge ich mir zusätzlich einen GPS-Logger, der den gesamten Streckenverlauf durch GPS-Tracking aufzeichnet. Routenplaner Das ganze lässt sich dann auch noch in GoogleEarth (hier anklicken) übertragen und soll letztendlich mein endgültiger Beweis für die gefahrene Strecke werden. In der digitalen Dokumentation ist alles enthalten: Millimetergenaue Ortung, Datum, Uhrzeit, laufende Kilometer und gefahrene Geschwindigkeit - jeweils bei jedem einzelnen Wegpunkt, der automatisch alle 200 Meter oder manuell gesetzt ist (die Pinnadeln). Über die Tücken der Technik später mehr... Ich gebe an dieser Stelle gerne zu, dass ich ein Mensch bin, der immer noch einfache, altmodische Karten aus Papier liebt - auch wenn ich mitlerweile die laminierte und regenfeste Ausgabe für Motorradfahrer habe. (NACHTRAG: Trotz aller Abneigung gegen die Digitale Technik habe ich mir 2009 dann doch ein ZUMO 550 zugelegt...)
In den Tagen vor der Fahrt erarbeite ich an Hand eines entsprechenden Computerprogramms (digitale Technik (sic!) eine ausreichend weite Strecke: eine Rundfahrt: Köln, Bremen, Hamburg, Berlin, Dresden, Nürnberg, Würzburg, Frankfurt, Köln. Ich befahre tatsächlich 12 der 16 Bundesländer in Deutschland: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz - in dieser Reihenfolge. Rechnerisch ist es mehr als die geforderte Distanz von 1.610 Kilometer.

Start
Start
Kurz nach 4 bin ich angezogen und sitze schon auf der Maschine. Auf zur ersten Tanke! Meine Tanke vor der Haustür hat um diese Zeit noch zu, ich muss aber einen zuverlässigen, zweifelsfreien Startbeleg haben und will mich nicht auf einen Automatenbon verlassen müssen, der womöglich falsches Datum oder falsche Uhrzeit hat, deshalb wähle ich eine Autobahnraststätte; hier ist Leben, hier könnte ich zur Not mit einer einfachen Unterschrift Datum und Uhrzeit bestätigen lassen.
Siegburg-Ost, 10.05.2008, 04:37 ist offizieller Start. Frau Deutsch hat Kassendienst - Nomen ist Omen für eine Fahrt durch halb Deutschland an einem Tag. Der Tacho zeigt 79.859 Km. In spätestens 24 Stunden will - und muss ich mit mehr als 1.610 Kilometer mehr wieder hier sein. Ich starte den GPS-Logger 1 Minuten später als die Uhrzeit auf der Tankquittung.

Schon nach 12 Kilometern muss ich wieder anhalten: Ohrstöpsel vergessen. Es stellt sich außerdem schnell heraus, dass sich am Freitag nur die Hälfte der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens in die Pfingstferien begeben hat. Die zweite Hälfte ist an diesem Samstag genau so früh auf und am Rollen wie ich. Statt der erhofften "freien Bahn" mit mindest 150 Km/h im Schnitt, geht es mit maximal 120 Km/h und über weite Strecken noch viel weniger die ersten 300 Kilometer bis Bremen, wo ich das erste Mal auch tanken muss. Zwischendurch gab es einen wunderschönen Sonnenaufgang rechts von mir nach dem Teutoburger Wald. Es ist mittlerweile kurz nach halb acht und hell, Außentemperatur 15 Grad. Es scheint ein angenehmer, sonniger und doch nicht all zu warmer Tag zu werden - optimal für eine solche fahrt. Kurze Pause, Brötchen, Tasse Kaffe - Frühstück an diesem Morgen.
Bis Hamburg geht es auch nicht viel schneller, vor dem Kreuz Hamburg Süd ist zudem auch noch Stau - allerdings mein einziger auf der ganzen Fahrt. Ich entschließe mich, wieder eine kurze Pause zu machen und an der Raststätte Stillhorn noch einmal zu tanken - auch wenn es nicht nötig ist: als Beleg für den nördlichsten Eckpunkt der Fahrt, bevor es auf die A 24 Richtung Osten und Berlin geht.

Endlich freie Bahn
Ab hier und für den Rest des Tages habe ich dann in der Tat nahezu freie Bahn. Rechnerisch muss die Durchschnittsgeschwindigkeit für die Minimalstrecke von 1.610 Kilometer über 24 Stunden bei 67 Km/h liegen. Ich hoffe effektiv auf das Doppelte, was mir über den Tag einen Zeitpuffer von 12 Stunden für Tanken, Pausen und Ausflüge neben der Autobahn verschaffen sollte. Am Ende des Tages liegt die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit tatsächlich bei ca. 120 Km/h, die maximale Fahrgeschwindigkeit über weite Strecken allerdings bei etwa dauerhaften 200 Km/h. Dass eine solche Strecke in der vorgegebenen Zeit bei uns in Mitteleuropa nur über Autobahn zu bewältigen ist, muss jedem klar sein, der auch eine solche Strecke fahren möchte - auf deutschen Landstraßen wäre die Distanz bei unserer dichten Besiedlung (und prinzipiellen 100 Km/h) nicht in der vorgegebenen Zeit zu schaffen. Das klingt erst einmal langweilig. Aber: während man auf kleinen, kurvenreichen Straßen mehr auf den Straßenverlauf achten muss und so oft die herrliche vorbeifliegende Landschaft verpasst, kann man auf der Autobahn ruhig den Blick in die Weite schweifen lassen - das hat auf manchen Strecken, wie z.B. später im Erzgebirge oder Vogtland oder am Frankenwald, Fichtelgebirge oder in der Fränkischen Schweiz oder dem Spessart, auch was für sich.

Throttle Rocker Kurz nach Hamburg fahre ich schnell auf einen Parkplatz und montiere meinen Gas-Throttle. Was das ist ? Ganz einfach: eine Lasche aus festem Kunststoff, die man so um das äußere Ende des Gasgriffs drehen kann, dass bei einer beliebigen Stellung der Handballen für den erforderlichen Druck am Gaszug sorgt. Beim Motorrad kann man ja den Gaszug nicht Feststellen; eine Tempomat wäre zu gefährlich - dafür muss man doch zu oft nachregulieren. Aber der Thottle sorgt dafür, dass man nicht ständig den Gasgriff fest umklammern muss, und das entlastet ungemein die Muskulatur von der Hand bis zur Schulter. Das lohnt sich nur unter solchen optimalen Fahrbedingungen wie heute, bei denen man das Gas über weite Strecken fast dauerhaft in einer Position stehen lassen kann, aber es lohnt sich: ich habe am Ende der Tour keinerlei Verspannung im Körper, die ich sonst nach einer Tagestour und bei viel weniger Kilometer besonders in der rechten Schulter verspüren kann.

Alte Ulme Gülitz Ich habe für die zweite Hälfte der Strecke (um mit meinem Zeitmanagement auf der sicheren Seite zu sein) 4 Nebenziele ausgesucht, die mich - auch zu Pausenzwecken - abseits der Autobahn führen sollen. Auch in diesem Jahr fahre ich wieder den Jahres-Touristik-Wettbewerb "Tourenzielfahrt" des Bundesverbandes der Motorradfahrer e.V.. Zielorte in diesem Jahr 2008 sind "Alte Bäume". Der Tourenleiter hat eine Liste mit bundesweit gut 130 sehenswerten alten Bäumen erstellt. Davon können über das ganze Jahr maximal 30 angefahren werden. Natürlich haben die Ziele unterschiedliche Punktewertung, so dass ein realistischer Wettbewerb möglich ist.
Der erste Baum ist nach gut 600 Kilometern erreicht: die "Alte Ulme" in Gülitz westlich von Pritzwalk in Brandenburg. Eine ca. 800 Jahre alte Bergulme mit einem Umfang von knapp 10 m. am ehemaligen Dorfanger. Der Baum selber ist wenig spektakulär, bringt aber gute Punkte und der Ausflug kostet mich eine Stunde.
Nach einer weiteren Stunde - es ist jetzt kurz vor 12 - erreiche ich über einen Abstecher von der A 10 Pankow/Berlin zum erneuten Tanken - Nachweis des östlichen Eckpunktes der Tour. Zurück an der A 10 finde ich an der Ausfahrt Hellersdorf/Vogelsdorf einen Burger King und mache erneut ungefährt eine Stunde Pause (der 'Würger König' ist nach meinem Geschmack allemal und immer besser als "MacDoof"...). Bei dieser Gelegenheit stelle ich fest, dass sich tausende von Insekten auf meinem Windschutz verewigt haben - die armen Viecher - bis zum Ende werden es noch mehr sein - das Motorrad ist von oben bis unten voll - nur ich nicht: ich sitze ja schön im Windschutz ... (siehe Bild ganz am anfang)

Ausflug ins Gelände
Auch muss ich hier die Karte etwas genauer studieren, denn mein nächster Baum steht nicht weit, südlich von Fürstenwalde, in Storkow, Oder-Spreewald-Kreis, die "Malerkiefer". In Storkow komme ich zudem an einem Radmuseum vorbei, in dem rund 200 selbst-zusammengeschweißte "Velo-Kuriositäten" stehen. Radmuseum Storkow Vom Riesenfahrad, über ein Beate-Uhse-Bike (was auch immer das sein mag...) bis hin zur Fahrrad-Guitarre - alles Exponate aus Edelstahl. 17 davon sind sogar im Guiness-Buch der Rekorde verzeichnet. Hierzu gehört unter anderem das größte Tandem-Rad (Länge: 6m), das längste Fahrrad der Welt (7,80m lang, 76 Hinterräder und 228 Zahnkränze) oder auch das Fahrrad mit dem kleinsten Vorderrad (Durchmesser: 2mm). Alles Kreationen des bekanntesten Maskottchen der Tour de France, Didi Senft, auch genannt „El Diablo“.

Malerkiefer Storkow "Hinter dem Sportplatz Karlslust dem Feldweg nach Südwesten folgen. Die Kiefer steht an einer Waldecke 200 m südwestl. der letzten Häuser" - so steht es in der Ausschreibung. Am Sportplatz wird es sandig. Es läuft gerade ein Fußballspiel. An der Kasse sitzt eine Frau mittleren Alters. "Eine was ? Malerkiefer ?" Ja, das stimmt wohl, da weiter unten steht so ein Baum als Touristenattraktion. Warum sie Malerkiefer heißt ? Das weiß die Frau nicht - obwohl sich herausstellt, dass sie die Bürgermeisterin des Ortes ist...

Meine "Dicke" pflügt sich mit Mühen durch fast 500 Meter märkischen Sand - geländegängig war die PanEuropean nie mit ihren mehr als 320 Kilo Eigengewicht (und meinen 100 Kilo noch dazu). Es ist trotzdem ein Erlebnis: bei alten und dicken Bäumen denkt man zunächst an groß gewachsene Eichen oder Linden. Dass auch eine Kiefer beeindruckende Ausmaße annehmen kann, beweist diese Malerkiefer. Der Stamm teilt sich bereits mehrfach wenig über dem Erdboden - die Äste und Zweige bilden dann ein ausladendes Dach, das nach einigen Metern wieder bis auf Greifhöhe herab hängt. Alter ca. 200-350 Jahre, Umfang ca. 4,50 m. Ich finde nirgends eine Erklärung, warum sie Malerkiefer heißt .... vielleicht, weil sie "malerisch" ist oder "wie gemalt" aussieht ??

Von Storkow will ich nach Karte und auf guten Wegen quer durch das Biosphärenreservat Unterspreewald rüber zur A 13 Richtung Dresden. Auf der Karte sind es ungefähr 40 Kilometer, also höchstens 20 Minuten Fahrt - dachte ich. Irgendwie bin ich dann wohl doch in Storkow falsch abgebogen. Es stand zwar mein nächster Zielort Burgh auf einem Schild, aber irgendwann hörte der Asphalt auf und ging in mehrere verzweigte Forstwege über, an denen auch wieder Hinweise nach Burgh stand. Schon wieder muss sich die Dicke durch den märkischen Sand pflügen, diesmal geht es aber mehrere Kilometer so weiter. ich verliere völlig die Orientierung, fahre mal nach links, mal nach rechts nur noch auf Wegen, die als Fahrradwege gekennzeichnet sind, komme unplanmäßig an irgend welchen kleinen malerischen Seen vorbei. Ich darf nicht eine Sekunde anhalten und hänge mit 20-30 Km/h im 3. Gang am Standgas: Das Vorderrad eiert mächtig gewaltig im Sand, wenn ich aber stehen bleibe, gräbt sich meine Dicke sofort ein und ich wäre verloren - hier im einsamen herrlichen Kiefernwald, der so wunderbar riecht, ist kein Mensch weit und breit, der mir helfen könnte, wenn ich stecken bliebe....
Irgendwann kommt dann doch ein rettender, gepflasterter Feldweg, und - immer noch ohne jede Orientierung - lande ich schließlich irgendwie doch noch auf der B 87 Richtung Lübben, wo ich ja auch hin wollte - und dann die rettende Autobahn. Der Ausflug in die tiefere Spreewald-Botanik hat mich viel Schweiß, viele Flüche und zusätzlich fast eine (verlorene) Stunde gekostet - aber: ich habe jetzt fast genau die Hälfte der Gesamtstrecke hinter mir - und mehr als 13 Stunden vor mir - ich liege sehr gut in der Zeit.

Immer nach Plan
Der nächste Baum steht in Kaditz bei Dresden, wo ich auch wieder tanken muss. An der Tankstelle will ich am GPS-Logger den aktuellen Stand von Zeit, Kilometer und Geschwindigkeit überprüfen. Ich habe mich zugegeben in der Kürze der Zeit nicht all zu vertraut mit der Bedienung gemacht und drücke offensichtlich einige Knöpfe in der falschen Reihenfolge, denn plötzlich ist alles weg ... Ich weiß noch, wie man einen neuen Track-Point setzt; das tue ich im Vertrauen auf die Technik und in der Hoffnung, dass die bisherigen Daten nicht gelöscht werden. Das klappt auch, aber ich habe am Ende des Tages nicht wie erhofft 1 durchgehende Tracking-Datei sondern 3 Etappen. Wer die Tour in GoogleEarth verfolgt, sieht genau wo und wann ich an der Tankstelle in Dresden diesen Neustart gemacht habe.

Tausendjährige Linde Kaditz In der Ausschreibung steht: "Kaditz, Tausendjährige Eiche vor der Kirche". Ich finde die Kirche schnell, und dort auch einen sehr alten Baum. Das ist aber keine Eiche, sondern eine Linde, die mit Hinweisschild auch als Tausendjährig ausgewiesen wird. Als alter und geprüfter Teilnehmer an mehreren Orientierungs- und Zielfahrten komme ich in Zweifel: ist das ein Trick ? Gibt es hier nicht irgendwo versteckt doch noch eine alte Eiche ? Ich frage einen alten Ortsansässigen, der nur von der Linde weiß, und eine spätere Rückfrage beim Tourenleiter bestätigt dann auch, dass es sich um einen Fehler in den Unterlagen handelt. Die Linde befindet sich an der Kirche in dem recht gut erhaltenen alten Dorfkern von Kaditz. Das Alter wird offiziell mit 1000 Jahren angegeben, vielleicht ist sie aber doch etwas jünger - nur 800 Jahre. Auf jeden Fall der älteste Baum auf dem Stadtgebiet Dresdens.
Der Umfang beträgt fast 10 m. Die Zeit und ein Dorfbrand 1818 haben den Stamm in zwei Teile geteilt, aus deren Position man die Ausmaße des Baumriesen heute noch ermessen kann. Der Baum hat die Bombennächte im Februar 1945 überlebt und auch sonst zweimal wie durch ein Wunder Brände überstanden: Einmal 1429/30 während der Hussitenkriege, als die Kapelle in unmittelbarer Nähe der Linde in Brand gesetzt wurde. Eine günstige Windrichtung verhinderte das Übergreifen des Feuers. 1637 zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges steht die Kirche wieder in Flammen, auch diesmal bleibt die Linde verschont.
Nachtrag: Wer sich in der Geschichte weniger auskennt und nicht weiss, was sich zwischen den Nächten vom 13. und 15 Februar 1945 in Dresden zutrug, möge bitte den Roman von Kurt Vonnegut, Jr. lesen: Slaughterhouse Five or The Children’s Crusade. Dt. Titel: Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug.
(1972 wurde der Roman vom Regisseur George Roy Hill verfilmt. Schlachthof 5 (Slaughterhouse-Five) erhielt im selben Jahr den Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Cannes und gewann 1973 den Saturn Award für den besten Science-Fiction-Film.)


Alte Tanzlinde Limmersdorf Weiter geht es über Chemnitz, Zwickau und Hof bis kurz vor Bayreuth, ab hier nach Westen, Richtung Bamberg und Würzburg - Go West - Go Home: Richtung Heimat. Mein letzter Baum für heute steht kurz danach abseits der A 70, in Limmersdorf, unweit von Kulmbach - und ist der schönste Baum dieser Fahrt: mitten im Ort die alte Tanzlinde. Bis in unsere Zeit hinein wird diese Linde als das benutzt, was sie von der Bezeichnung her ist: als Tanzlinde. Allerdings werden seit Jahrhunderten nicht mehr die Äste des Baumes als Auflagepunkte für ein begehbares Podest und die Tanzdielen benutzt, sondern achteckige Säulen aus Sandstein, die eigens für diesen Zweck um den Baum herum drapiert wurden. Die Linde soll 1648 von einem Bauern aus Dankbarkeit darüber gepflanzt worden sein, das der 30-jährige Krieg endlich vorbei war. Der Stammumfang beträgt heute in einem Meter Höhe 4,30 m bei einer Baumhöhe von 19 Metern. Der Tanzboden hat einen Druchmesse von ungefähr 15 Meter. Einmalig !

Es ist jetzt kurz vor 19.30. Die Sonne steht schon tief, ich habe überschlägig noch ungefähr 500 Kilometer vor mir. Ich fange jetzt schon an, mir eine Ankunftszeit auszurechnen: wenn es mit dem Verkehr weiterhin so problemlos geht, fahre ich mit einem effektiven Schnitt von 150 Km/h 500 Kilometer in ca. 3 ½ Stunden - ohne weitere Pausen wäre ich dann ca. 23 Uhr am Ziel. Also: Zeit genug - Zeit für eine Pause. Rein nach Bamberg an der Ausfallstraße zur B 505, damit ich anschließend quer und schnell bei Höchstadt auf die A3 kommen kann - tanken, wieder Standard-1A-Motorradrestaurant: Burger King.

Nach einer Stunde liegt Würzburg schon hinter mir - plötzlich geht mein GPS-Logger aus. In der Bedienungsanleitung stand: Batteriedauer ca. 15 Stunden - das kommt genau hin ... Im Augenwinkel hatte ich gesehen, dass in 1000 m. eine Ausfahrt ist. Ich halte an und finde meine Ersatzbatterien (die ich natürlich vorsorglich eingepackt habe). Ich weiß aber nicht, was mit meiner bisherigen Aufzeichnung passiert, wenn der Strom einfach versagt, ohne dass richtig ausgeschaltet wird. Ist die jetzt verloren ? Und meine mitgebrachten Batterien wecken das Teil offensichtlich nicht wieder zum Leben: keine Anzeige, kein Licht, gar nichts - ich kann die Knöpfe drücken wie ich will. Waren diese Batterien auch zu alt ? Also doch: alles digitale um sonst? - mir fehlen die letzten 400 Kilometer - und vielleicht die ganze Strecke davor ... Ich halte noch einmal an dem nächsten Autohof und kaufte dort neue Batterien, die hoffentlich frisch sind. Nix - die Anzeige bleibt schwarz ... Ärgerlich, aber jetzt nicht mehr zu ändern ... Vertrauen in die Technik ?
Ich fahre weiter in den Abend hinein.

Das Ende naht
Aschaffenburg und Frankfurt fliegen vorbei. Um sicherzustellen, dass ich auch wirklich nachweislich auf meine 1.610 Kilometer komme - mindestens - habe ich einen kleinen Umweg über Wiesbaden (A 66) und Mainz (A 60) zur A 61 über Koblenz und Bonn eingeplant. Erneuter Tankstopp an der Raststätte Wiesbaden - noch knapp 200 Kilometer, die Uhrzeit auf dem Tankbeleg ist 22:18. Hunsrück, über die Mosel bei Koblenz, bekannte Namen jetzt, durch Bonn durch, im Kreuz Bonn/Siegburg auf die A 3, Raststätte Siegburg-Ost in Sicht ...
Ende Auf dem Tankbeleg steht die Uhrzeit 23:51, 10.05.2008, Kilometerstand: 81.606 - Ende. Frau Deutsch hat wieder Kassendienst. Ich bin in weniger als 24 Stunden nach Tacho 1747 Kilometer gefahren, nach GPS-Logger (dem ich mehr glauben schenke) 1721 Km. - 111 Km. mehr als gefordert. Tacho-Abweichung: 1,48 % - hinnehmbar. Der GPS-Logger ist doch noch mit den neuen Batterien weiter gelaufen und hat zu meiner großen Freude alles gespeichert und auch die letzte Etappe still und heimlich aufgenommen - Vertrauen in die Technik !

Eine halbe Stunde später bin ich von der Raststätte zu Hause und nach einem Bier im Bett, zufrieden und erstaunt, dass ich nicht einmal besonders erschöpft bin. Im Einschlafen denke ich noch darüber nach, dass es durchaus möglich ist, die nächste Stufe des Eisen-Arsches, den BunBurner Gold - das sind 1.500 Meilen oder 2.500 Kilometer - auch innerhalb von 24 Stunden zu erfahren, dann allerdings ohne irgendwelche Ausflüge in die Botanik. Weicheier nehmen sich 36 Stunden Zeit für diese Distanz und verzichten auf den Zusatz "Gold". Die ganz Harten fahren meine heutige Strecke 10 mal an 10 auf einander folgenden Tagen - 10.000 Meilen, 16.100 Kilometer an 10 Tagen - das ist echt hart.... die müssen echt(es) Eisen im Hintern haben...
Ich fahre nur - bis der Hintern brennt...

... der Wecker klingelt am heutigen Sonntag ganz bestimmt nicht wieder um 4 Uhr ...


Die eisen-harten Fakten in der Zusammenfassung:
Gefahrene Strecke: 1.722 Kilometer (nach GPS 1721)
Gefahrene Zeit, gesamt: 19 h. 14 min.
Reine Fahrzeit: ca. 15 h.
Pausen: ca. 4 h.
Rechnerische Durchschnittsgeschwindigkeit
für Mindeststrecke von 1610 Km.
67 km/h
Tatsächlie Durchschnittsgeschwindigkeit
für gefahrene Strecke:
115 km/h
Maximale Höchstgeschwindigkeit: 200 Km/h
Durchschnittsverbrauch, gesamt: 7.29 L/100 Km.


Am 2. Juli 2008 wurde die Fahrt offiziell von der Iron Butt Association durch Eintragung in das Mitgliederverzeichnis mit der Nummer 33786 anerkannt.

Nachtrag 1 - BUNBURNER - 2.500 km. in 35 Stunden:
Ich hatte am Montag, den 06.05.2013 einen Termin in Kopenhagen. Ich bin dort Mitglied in einem Verband für Berufssprecher, und die hatten an dem Abend ihre jährliche Mitgliederversammlung, zu der ich immer schon mal hin wollte. Da bin ich dann mal eben hin gefahren - und als die Veranstaltung nach 2 Stunden zu Ende war, bin ich dann natürlich auch wieder nach Hause gefahren.
Aus diesem Kurztrip sind dann am Ende schließlich 2607 Km. innerhalb von 35 Stunden geworden - zugegeben mit einigen gezielt ausgewählten Umwegen, z.B. über Würzburg, Magdeburg oder Leipzig, sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt - das Limit sind 2.500 Km. in 36 stunden.
Das ist dann die zweite Stufe des Eisenarsches, der sogenannten BunBurner - ARSCHBRENNER. Die läppische 1.700 Km in 2008 waren ja nur zum Einfahren.....

Nachtrag 2 - 2. SADDLESORE 16/24:
Am 22.06.2013 fuhr ich mit dem bereits erwähnten Kollegen, der jetzt ein vernünftigeres Motorrad hat (auch wenn es immer noch ein deutsches Markenprodukt mit 3 Buchstaben ist), einen erneuten SaddleSore in der Form einer 16-Bundesländer-Tour des IBA-Chapters Deutschland - 16/24, d.h. alle 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland in weniger als 24 Stunden, insgesamt 1.792 Kilometer. Die Fahrt startete in Bonn und führte über Saarbrücken, Frankfurt a.M., Würzburg, Leipzig, Berlin, Hamburg und Bremen wieder zurück nach Bonn.

Nachtrag 3:
Im Juli 2015 habe ich auch den Belgian Beer Ride durchgeführt: Innerhalb von 24 Stunden sind 21 Brauereien in ganz Belgien (und z.T. in Süd-Holland) aufzusuchen und zu dokumentieren - mindestens 6 davon mit eindeutigem Kaufbeleg.
991 Kilometer in 19 Stunden - mit An- und Abfahrt: 1673 Kilometer in 34 Stunden.

Nachtrag 4:
Kilometerstand am Motorrad nach 1 Woche und 3.864 KM Zentralmassiv 2019: > 200.000 km. .... danach mehr oder weniger coronabedingter Stillstand ....

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